Friday, November 10, 2006

Chance auf ein Bleiberecht?


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Frankfurt am Main, den 7. September 2006

Chance auf ein Bleiberecht?

Nach einer langen Phase der Fundamentalopposition hat der niedersächsische Innenminister
Uwe Schünemann vor kurzem einen eigenen Vorschlag für eine Bleiberechtsregelung für
bisher langzeitgeduldete Menschen vorgelegt. Die ausformulierte Regelung, so zeichnet es
sich ab, könnte die Linie sein, mit der die unionsregierten Innenminister in die Innenministerkonferenz
Mitte November gehen wollen. Darauf deutet auch, dass der sächsische Innenminister
Buttolo ähnliche Ideen in Interviews vertreten hat.
Schünemanns Vorschlag einer Bleiberechtsregelung ist unzureichend.
Viele Fragen bleiben offen. Neue Probleme werden aufgeworfen. Zudem verbindet er seinen
Vorschlag mit einem Maßnahmenpaket, in dem sich ein interessanter und zwei sehr problematische
Vorschläge finden.
• § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes soll gestrichen werden. Bisher endet für Bezieher
solcher Leistungen nach drei Jahren die 35 % ige Kürzung gegenüber den Leistungen
der Sozialhilfe. Verspätet soll ihnen damit eine minimale Teilhabe am gesellschaftlichen
und sozialen Leben ermöglicht werden. Schünemann hält dies für eine Belohnung
für ausreisepflichtige Ausländer, die sich weigern ihrer Ausreisepflicht nachzukommen.
Damit erhält sein Vorschlag den Charakter einer Kollektivstrafe, zumal die Asylbewerberleistungen
weit unterhalb des Existenzminimums liegen, überwiegend als Sachleistungen
gewährt werden und der minimale Taschengeldbarbetrag seit Inkrafttreten des Gesetzes
(1993) nicht erhöht worden ist. Zudem sind bereits nach geltendem Recht Ausländer,
die durch ihr Verhalten eine Abschiebung verhindern, dauerhaft von Leistungen nach
§ 2 AsylbLG ausgeschlossen.
• Schünemanns Vorschlag, eine gesetzliche Bleibe- und Wiederkehroption für gut integrierte
Jugendliche zu schaffen, richtet sich an den Bundesgesetzgeber. Die Idee ist
diskussionswürdig.
• Vollzugshindernisse bei der Abschiebung sollen beseitigt werden. Schünemann
verbindet dies mit einer offensiven Diskreditierung der Ärzteschaft, der er unterstellt,
Gefälligkeitsatteste auszustellen „bei behaupteter Suizidabsicht oder psychischen Problemen“.
Die per Dienstanweisung der Bundespolizei festgelegte Pflicht, ärztliche Bescheinigungen
über die Reisefähigkeit vorzulegen, führe zu unlösbaren Schwierigkeiten. Im
Evaluierungsbericht des Bundesinnenministeriums zur Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes
wird hinsichtlich dieser Praxis gerade das – problematische – Gegenteil berichtet.
Die wesentlichen Probleme des Bleiberechtsvorschlags
1. Die Idee, nur Familien mit schulpflichtigen Kindern in eine Bleiberechtsregelung einzubeziehen,
ist inhuman und hat eben solche Folgen. Sollen Eltern tatsächlich abgeschoben
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werden, weil ihre Kinder inzwischen erwachsen geworden sind? Ist Kinderlosigkeit ein
Zeichen mangelnder Integration – auch nach zehn oder fünfzehn Jahren des geduldeten
Aufenthaltes? Oder trägt Herr Schünemann der Tatsache Rechnung, dass gerade aus
den Schulen heraus heftiger Widerstand gegen die bisherige Praxis der Abschiebung geleistet
wird? Will man junge Familien mit kleinen Kindern im Vorschulalter tatsächlich –
oftmals in Krisengebiete und Regionen mit problematischer Gesundheitsversorgung – abschieben
nach vielen Jahren des Aufenthalts? Geht der Innenminister tatsächlich davon
aus, dass alte, kranke und behinderte Menschen, die bei einer Rückkehr ins Herkunftsland
vor dem Nichts stehen, in der Lage sind, sich dort zu „integrieren“?
2. Die von Innenminister Schünemann vorgeschlagene Trennung hier aufgewachsener Jugendlicher
von ihren Eltern ist problematisch. Sie bringt die Jugendlichen in ein moralisches
Dilemma, zwischen Unterstützung und Beistand durch ihre Eltern (oder für ihre Eltern)
und einem Bleiberecht in Deutschland wählen zu müssen. Dass die Eltern in vielen
Fällen nach langjährigem Aufenthalt gerade im Interesse der Kinder, die das Land oft gar
nicht kennen, nicht zurückkehren wollten, ist nachvollziehbar und darf nicht mit Abschiebung
„bestraft“ werden.
3. Der Ausschluss derjenigen, die aufgrund ihrer besonderen Lebenslage ihren Lebensunterhalt
nicht aus eigener Erwerbstätigkeit finanzieren können, ist inhuman. Es widerspricht
dem Sozialstaatsprinzip, Kriegsopfer und Traumatisierte, Alte, Kranke und Behinderte
ausnahmslos auf die eigenständige Lebensunterhaltsicherung zu verweisen. Dieser Vorschlag
erweckt den Eindruck, Herr Schünemann wolle sich an Nützlichkeitskriterien orientieren.
4. Schünemanns Vorschläge, wie die bisher vom Arbeitsmarkt weitgehend ausgeschlossenen
Geduldeten jetzt eine Chance auf dem Arbeitsmarkt erhalten sollen, ist gedanklich
inkonsistent und unpraktikabel. Nach dem Vorschlag soll zunächst die Duldung lediglich
um ein halbes Jahr verlängert werden. Gleichzeitig appelliert Schünemann an den Bundesarbeitsminister,
die Möglichkeiten der Arbeitsaufnahme zu lockern. Das wochen- oder
auch monatelange Prüfverfahren mit Aktenübersendungen zwischen Ausländerbehörde
Arbeitsagentur stellt erfahrungsgemäß aus Sicht der Arbeitgebers ein unüberwindbares
Einstellungshindernis dar. Eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt kann daher
nur über die Erteilung einer zunächst auf mindestens ein Jahr befristeten Aufenthaltserlaubnis
führen, die verbunden sein muss mit einer uneingeschränkten Berechtigung zu
Erwerbstätigkeiten jeder Art. Nur eine Aufenthaltserlaubnis mit uneingeschränkter Arbeitserlaubnis
sichert realistischerweise den Zugang zum Arbeitsmarkt und damit die
Chance zur eigenständigen Lebensunterhaltssicherung.
5. Mehrere der im Vorschlag enthaltenen sieben Ausschlussregelungen sind problematisch.
Auslegungsschwierigkeiten und Streitigkeiten sind vorprogrammiert. So ist es immer wieder
umstritten, ob Geduldete behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich
hinausgezögert haben, ihre Passlosigkeit selbst verschuldet haben. Wiederholte
Asylfolgeanträge sind in vielen Fällen aufgrund der politischen Entwicklungen im Herkunftsland
sinnvoll und gerechtfertigt. Das Ausschöpfen des Rechtsweges darf im
Rechtsstaat nicht sanktioniert werden.
Umstritten ist auch in vielen Fällen, ob Ausreisepflichtige über ihre Staatsangehörigkeit
getäuscht haben. In den Fällen staatenloser Libanesen ist oftmals unklar, ob die Betroffenen
um eine bestehende türkische Staatsangehörigkeit wussten. Den Abkömmlingen in
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zweiter und dritter Generation ist dies nicht zu unterstellen.
6. Bei diesem Bleiberechtsvorschlag handelt es sich um eine insgesamt überbürokratisierte
Regelung, die den wünschenswerten Nebeneffekt einer Entlastung der Verwaltung nicht
erreichen wird.
Die im folgenden geschilderten Fälle zeigen die Schwierigkeiten der Regelung und mögliche
Ausschlussgründe, wie sie sich bei einer Umsetzung des Schünemann-Vorschlages darstellen
würden.
Fall 1)
Die Familie Ö., Kurden aus der Türkei, lebt seit 1996 in Deutschland.
Nach negativem Abschluss des Asylverfahrens zunächst lange Zeit geduldet.
Folgeantrag im Juni 2003, der wenig später abgelehnt wird.
Klage beim Verwaltungsgericht noch anhängig.
Die Familie besteht aus 6 Personen, den Eltern, zwei bereits erwachsenen und zwei noch
schulpflichtigen Kindern.
Die älteste Tochter arbeitet als Heilerziehungspflegerin in Vollzeit. Diese Anstellung in der
Arbeit mit geistig und körperlich behinderten Menschen wurde durch das Engagement des
Arbeitgebers und verschiedener Gruppen möglich.
Das zweitälteste Kind, ein Sohn, befindet sich in berufsbegleitender Ausbildung.
Die beiden jüngeren Töchter besuchen Oberschulklassen und sind gute Schülerinnen.
Die Eltern sind zur Zeit nicht in der Lage, für den Lebensunterhalt der Familie zu sorgen. Herr
Ö. ist schwer sehbehindert und seit Jahren wegen eines Bandscheibenschadens in ärztlicher
Behandlung. Er wird außerdem aufgrund seiner Erlebnisse im Herkunftsland in einem Behandlungszentrum
für Folteropfer betreut. Frau Ö. ist wegen der Lage auf dem Arbeitsmarkt
und geringer Qualifikation bislang nicht vermittelbar. Trotz seiner Behinderung bemüht sich
Herr Ö., eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, die aber immer wegen bevorrechtigter Bewerber
abgelehnt wird.
Mögliche Ausschlussgründe vom Bleiberecht:
• Fehlende Sicherung des Lebensunterhalts, falls die besonderen Hindernisse nicht berücksichtigt
werden.
• Selbst bei voller Erwerbsunfähigkeit des Vaters, die bislang nicht vorliegt, müssten der
Lebensunterhalt und die Betreuung ohne Leistungen der öffentlichen Hand dauerhaft gesichert
sein. Eine Verpflichtungserklärung einer anderen Person oder Institution müsste
vorliegen.
• Die Verpflichtung würde ohnehin nur bedingt zu einem Aufenthaltsrecht führen, dabei der
Mutter weder Rentenalter noch Erwerbsunfähigkeit vorliegt.
Fall 2)
Herr und Frau J., 1948 und 1952 geboren, ein Romaehepaar, sind 1992 während des Bosnienkrieges
von dort geflohen.
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Nach abgelehntem Asylantrag seit Jahren nur geduldet; erwachsene Töchter und Enkelkinder
leben mit gesichertem Aufenthalt in Deutschland.
Die Söhne der Familie und ihre Familien leben mit gesichertem Aufenthalt in Österreich.
Herr und Frau J. sind wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung längerfristig behandlungsbedürftig.
Mit einer erzwungenen Rückkehr nach Bosnien würden sie auch noch
von den in Deutschland lebenden Kindern und Enkelkindern getrennt. Mit dem Krieg in Bosnien
hatten sie jede Lebensgrundlage verloren. Sie wären dort obdachlos und könnten bedingt
durch Alter und Krankheit für sich kaum eine Existenzgrundlage schaffen.
Bereits nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes stellte das Ehepaar einen Antrag auf
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 Aufenthaltsgesetz. Die Ausländerbehörde hat noch
nicht entschieden, aber bereits durchblicken lassen, dass der Antrag abgelehnt wird, weil der
frühere Asylantrag des Ehepaars als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt worden ist. § 10
Absatz 3 AufenthG schließt, nach Auslegung der Ausländerbehörde, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
aus humanitären Gründen aus.
Mögliche Ausschlussgründe vom Bleiberecht:
• Es ist nicht anzunehmen, dass das Ehepaar seinen Lebensunterhalt selbst sichern kann.
• Die faktisch Erwerbsunfähigen würden Lebensunterhalt, Pflege, alle Leistungen der öffentlichen
Hand dauerhaft kaum sichern können. Ob die Familienangehörigen finanziell in
der Lage wären, eine Verpflichtungserklärung mit Dauerwirkung abzugeben, ist unklar.
• Die Verpflichtung würde ohnehin nicht zu einem Aufenthaltsrecht führen, da weder Rentenalter
noch Erwerbsunfähigkeit vorliegt.
Fall 3)
Herr M. floh 1997 aus Bhutan nach Deutschland. Nachdem Bundesamt und Verwaltungsgericht
seinen Asylantrag abgelehnt haben, ist er seit 2003 vollziehbar ausreisepflichtig und lebt
mit Duldung im Land Brandenburg.
Der 61-jährige Mann ist gut integriert und arbeitet seit vielen Jahren in der Gastronomie.
Trotz gesundheitlicher Schwierigkeiten beantragt er immer wieder Arbeitserlaubnisse für die
Laufzeit seiner Duldungen und bemüht sich, ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu
leben.
Ein Antrag auf Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 AufenthG wurde mittlerweile abgelehnt.
Die Ausländerbehörde unterstellt M., er komme nicht aus Bhutan. Alle seine Bemühungen,
mit den Heimatbehörden Kontakt aufzunehmen und seine Identität zu klären, wurden
von der Ausländerbehörde bislang ignoriert. Das Königreich Bhutan hat kein Konsulat in
Deutschland. Ein Honorarkonsul hat Herrn M. geantwortet, man sei dort zur Ausstellung von
Dokumenten nicht befugt. Außerdem könne Herr M. durch eine Asylantragstellung in
Deutschland seine Rechte als Staatsbürger verwirkt haben. Andere Stellen seines Herkunftslandes,
die Herr M. angeschrieben hat, haben auf keines seiner Schreiben geantwortet. M.s
Widerspruch gegen die negative Entscheidung der Ausländerbehörde ist noch nicht beschieden.
Mögliche Ausschlussgründe vom Bleiberecht:
• Personen, die über keinen gültigen Pass verfügen, müssen sich vor Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
einen gültigen Pass beschaffen, falls dies nicht unmöglich oder unzu5
mutbar ist. Vermutlich wird die Ausländerbehörde weiter bestreiten, dass dies unmöglich
ist.
• Von der Inanspruchnahme der Bleiberechtsregelung ausgeschlossen sind Personen, die
die Ausländerbehörde über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände, zum Beispiel über
ihre Staatsangehörigkeit getäuscht haben. Vermutlich wird die Ausländerbehörde auch
weiter unterstellen, M. sei kein Staatsangehöriger Bhutans (zur Erklärung: Die Regierung
Bhutans erklärt aufgrund ihrer nationalistischen Politik seit vielen Jahren immer wieder
seit Jahrzehnten in Bhutan lebende, nepalesisch stämmige Menschen zu nepalesischen
Staatsangehörigen oder erkennt sie nicht als eigene Staatsangehörige an).
Fall 4)
Den Asylantrag des im Jahr 1995 aus dem Sudan geflohenen Herrn F. lehnte das Bundesamt
in Eisenhüttenstadt bereits 1996 ab. Nach einer negativen Verwaltungsgerichtsentscheidung
ist er seit September 2000 geduldet. In den elf Jahren seines Aufenthaltes in der BRD
hat er sich trotz Ungewissheit und Perspektivlosigkeit in Brandenburg gut integriert. Er verfügt
über eine eigene Wohnung, einen deutschen Freundeskreis und geht seit mehr als fünf
Jahren einer Erwerbstätigkeit nach. Diese wurde allerdings mehrmals unterbrochen, weil seine
Arbeitserlaubnis nicht verlängert wurde.
Die Ausländerbehörde legt Herrn F. zur Last, er sein keine sudanesischer Staatsangehöriger.
Diese Behauptung stützt sich allein auf die entsprechende Aussage der sudanesischen Botschaft.
Ergebnislos wurde Herr F. auch bei anderen Botschaften vorgeführt, die ihn nicht als
Staatsangehörigen identifizieren konnten. Ein im Jahr 2005 gestellter Antrag auf Aufenthaltserlaubnis
nach § 25 Absatz 5 AufenthG wurde im selben Jahr abgelehnt. Die Begründung:
Herr F. täusche über seine Identität und habe an seiner Abschiebung nicht mitgewirkt.
Mögliche Ausschlussgründe vom Bleiberecht:
• In der Regel werden nur Familien mit schulpflichtigen Kindern begünstigt.
• Die Ausländerbehörde wird sich vermutlich weiter darauf berufen, dass Herr F. nach ihrer
Ansicht behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert
habe und über seine Staatsangehörigkeit getäuscht habe.
Fall 5)
Frau N., von 1987 bis 1990 zunächst Vertragsarbeiterin in der DDR, musste nach der Wende
zurück nach Vietnam. Im Jahre 1992 stellte sie einen Asylantrag in Deutschland, der abgelehnt
wurde. Im selben Jahr kam ihr erstes Kind zur Welt. Der Vater des Kindes kam 1994
nach Deutschland. Auch sein Asylantrag wurde negativ entschieden. Ein zweites Kind kam
zur Welt. Die Familie bemühte sich von Anfang an um eine erfolgreiche Integration. Die beiden
Kinder können sehr gute Schulleistungen vorweisen. Anträge auf Aufenthaltsbefugnis
und Arbeitserlaubnis wurden über viele Jahre hinweg immer wieder abgelehnt. Im Jahr 2002
erhielt Frau N. eine Arbeitserlaubnis und konnte als Verkäuferin mehr als 1 ½ Jahre arbeiten,
obwohl die Erlaubnis alle drei Monate immer wieder beantragt werden musste. Eine Aufenthaltsbefugnis
erhielt sie weiter nicht. Während sie in dieser Zeit nicht auf Sozialleistungen
angewiesen war, wurde Frau N. nach 17 Monaten erneut arbeitslos. Für eine neue Stelle
erhielten sie nur die Arbeitserlaubnis für eine Teilzeittätigkeit. Seit drei Jahren arbeiten Frau
N. und ihr Mann unter diesen Verhältnissen, sind jedoch auf ergänzende Unterstützung vom
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Amt angewiesen. Seit Juli 2006 wurde auch die bisherige Arbeitserlaubnis nicht mehr verlängert.
Mögliche Ausschlussgründe vom Bleiberecht:
• Die Kinder sind inzwischen volljährig. Volljährigen, aber noch minderjährig eingereisten
unverheirateten Kindern kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, sofern gewährleistet
erscheint, dass sie sich aufgrund ihrer bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse
dauerhaft integrieren werden. Nach dem Wortlaut der Regelung ist nicht ganz klar, ob
dies während der laufenden Schulausbildung schon gilt. Offen ist, ob für Schüler Lebensunterhaltssicherung
verlangt wird, denn hierauf wird offenbar nur bei Azubis in betrieblicher
Ausbildung verzichtet.
• Ob die Eltern selbst die Voraussetzungen erfüllen können, hängt von vielen Faktoren ab.
Zur Zeit können sie ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familienangehörigen nicht durch
eigene legale sozialversicherungspflichtige Tätigkeit sichern und kein – auch noch ungekündigtes
– Arbeitsverhältnis vorweisen.
• Nach den hierfür geltenden Ausnahmeregelungen könnte die Duldung letztmalig für
sechs Monate verlängert werden. Ein Langsatz aus der Schünemann-Regelung zeigt, wie
schwierig und bürokratisch die Regelung im einzelnen ist. „Voraussetzung ist, dass bereits
zu einem früheren Zeitpunkt die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit beantragt wurde
und nur an der fehlenden Zulassung durch die Agentur für Arbeit scheiterte und zum Zeitpunkt
der Antragstellung ein Arbeitsvertrag oder eine verbindliche Zusage für ein Beschäftigungsverhältnis
vorliegt, das auf Dauer angelegt ist, und dem die Bundesagentur
für Arbeit aufgrund einer entsprechenden Ermächtigung des Bundesministeriums für Arbeit
und Soziales zustimmen kann. Weitere Voraussetzung ist, dass ab diesem Zeitpunkt
keine oder nur vorübergehend öffentliche Leistungen bezogen werden.“ Unklarer kann eine
Regelung nicht sein, wenn es dann noch heißt, wenn sich eine Änderung der Beschäftigungsverfahrensordnung
nicht realisieren lasse, dann müsse das Ganze über eine kurzzeitige
Aufenthaltserlaubnis laufen. Familie N. könnte sich zwar darauf berufen, an der
fehlenden Zulassung durch die Agentur für Arbeit gescheitert zu sein, müsste zusätzlich
aber auch bei Antragstellung einen Vorarbeitsvertrag vorlegen für ein Beschäftigungsverhältnis
mit Dauerwirkung – fast unmöglich im Zeitalter befristeter Arbeitsverträge. Ab diesem
Zeitpunkt darf sie keine ergänzenden öffentlichen Leistungen mehr beziehen „oder
nur vorübergehend“.
• Trotz Bemühungen haben sie bisher keinen vietnamesischen Pass erhalten können. Es
ist zu befürchten, dass auch hier wieder argumentiert wird, es sei nicht unmöglich, die
Passpflicht zu erfüllen.
Fall 6)
Frau R. aus dem Iran ist 1999 nach Deutschland geflüchtet. Ihre vier Töchter kamen später
nach. Das Schicksal des aus politischen Gründen im Iran inhaftierten Vaters ist ungeklärt.
Die älteste Tochter hat in diesem Jahr eine Ausbildung abgeschlossen und wurde in ein Arbeitsverhältnis
übernommen. Die zwei mittleren Schwestern haben nach Realschulabschluss
aufgrund ihres unsicheren Aufenthaltsstatus (Duldung) keine Ausbildungsstelle finden können.
Sie könnten allerdings ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren. Die jüngste Schwester
geht noch zur Schule. Die Mutter könnte unter Umständen eine Aushilfstätigkeit annehmen,
wenn eine Arbeitserlaubnis erteilt wird.
Mögliche Ausschlussgründe vom Bleiberecht:
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• Bei Alleinerziehenden kann auf die Sicherung des Lebensunterhaltes verzichtet werden,
wenn eine Arbeitsaufnahme nicht zumutbar ist. Dies gilt aber nur bei der Versorgung
mindestens eines Kindes bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres Der Berufseinstieg der
älteren Tochter entlastet die gegenwärtig noch von Sozialleistungen lebende Familie. Vieles
hängt davon ab, ob die beiden mittleren Töchter eine gewisse finanzielle Eigenständigkeit
erlangen können, indem sie eine Lehrstelle antreten. Für die Auszubildenden
selbst gilt dann, dass auf die vollständige Sicherung des Lebensunterhalts verzichtet werden
kann, wenn zu erwarten ist, dass sich der Ausbildung ein Beschäftigungsverhältnis
mit ausreichendem Einkommen anschließen wird.
• Benötigt Familie R. weiterhin ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt, dann sind diese
Leistungen nur dann unschädlich, wenn sie auf Beitragszahlungen beruhen oder nicht
höher sind als das im Fall eines Kindergeldanspruchs zu gewährende Kindergeld. Eine
Rechnung mit vielen Unbekannten.
Fall 7)
Die afghanischen Eheleute K. halten sich seit 1994 in Deutschland auf. Herr K. ist aufgrund
seines Alters, er ist 66 Jahre alt und seines Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage,
eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Er leidet an altersbedingten Krankheiten. Seine Frau (63
Jahre alt), ausgebildete Krankenschwester, aber auch chronisch krank, hätte ebenfalls keine
Chance auf dem Arbeitsmarkt. Die Ausländerbehörde ist offenbar nicht bereit, der Familie ein
Bleiberecht aufgrund der Afghanistan-Regelung der Innenministerkonferenz zu geben. Diese
sieht vor, dass ihr Lebensunterhalt, die Betreuung und Pflege ohne Leistungen gesichert sein
müssen.
Mögliche Ausschlussgründe vom Bleiberecht:
• Der Schünemann-Vorschlag enthält ebenfalls die Bedingung, dass der Lebensunterhalt
ohne Leistung der öffentlichen Hand dauerhaft gesichert sein muss. Gefordert ist
eine Verpflichtungserklärung, z.B. von Verwandten oder sonstigen Dritten.
• Auch eine Verpflichtungserklärung würde hier wohl nur bedingt zu einem Aufenthaltsrecht
führen, da bei der Frau weder Rentenalter noch Erwerbsunfähigkeit vorliegt.